Will
man größere Kristalle einer Substanz erhalten, bieten sich
zwei praktische Wege an. Zum einen die Verdunstung einer
wässrigen, gesättigten Lösung eines Salzes in der ein
kleiner bereits vorhandener Kristall der Substanz langsam wächst.
Zum anderen die langsame Abkühlung einer
heißgesättigten Lösung eines Salzes über mehrere
Tage auf Raumtemperatur. Ist die Substanz, aus welcher der Kristall
bestehen soll, im Heißen wesentlich besser löslich als bei
Raumtemperatur, kommt es während der Abkühlung zur
Abscheidung des Salzes und Kristalle entstehen. Beide Wege werden im
Folgenden genauer beschrieben. Oft ist es günstig beide Varianten
zu kombinieren und so z. B. einen durch Abkühlung erhaltenen
mittelgroßen Einzelkristall in der gesättigten
Salzlösung durch Verdunstung weiter anwachsen zu lassen.
Kristallwachstum durch Verdunstung einer gesättigten
Salzlösung
Bei der Züchtung von Kristallen durch Verdunstung der
gesättigten Lösung geht man von kleinen gut ausgebildeten
Kristallen der Züchtungs-Substanz aus, den so genannten
Impfkristallen. Kleine Impfkristalle fallen beim Herstellen der
gesättigten Salzlösung an oder werden durch die
Abkühlungs-Methode gewonnen. Von der gesättigten Lösung
sollte eine ausreichende Menge (0.5-1.0 Liter) hergestellt werden. Dazu
löst schlägt man die Menge an Substanz nach, die sich in 100
ml Wasser bei Raumtemperatur lösen und rechnet die Menge auf das
verwendete Wasser-Volumen um, wobei etwa 10% mehr an Substanz verwendet
werden sollten, damit die Lösung auch garantiert gesättigt
ist. Die abgewogene Züchtungs-Substanz wird anschließend in
siedendem Wasser gelöst und die klare Lösung in ein sauberes
Glas filtriert. Nach einigen Tagen sollten sich kleine Kristalle der
Züchtungs-Substanz am Boden und an den Wänden des
Gefäßes gebildet haben. Falls nicht, werden einige
Körnchen der festen Substanz in die Lösung gegeben. Sollte
daraufhin immer noch keine Kristallisation eintreten oder sich die
hineingegeben Körnchen lösen, ist die Lösung nicht
gesättigt. In diesem Fall muss erneut Züchtungs-Substanz
unter Erwärmen hinzugegeben werden.
Ist die gesättigte Lösung hergestellt, muss sie von den
gebildeten Kristallen im Glas durch Umgießen oder Filtration
getrennt werden. Dies ist daher notwendig, da nur der Impfkristall
wachsen soll. Weitere Kristalle im Glas verlangsamen das Wachstum des
Impfkristalls, da sie selbst wachsen, und müssen daher entfernt
werden.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass die besten Resultate erzielt werden,
wenn der Impfkristall an einem dünnem, durchsichtigem Garn genau
in die Mitte der gesättigten Lösung ins Glas eingebracht
wird. Dazu bildet man eine Schlaufe um den Impfkristall und knotet das
Garn fest. Damit der Impfkristall auch von oben gesehen in der Mitte
der Glases ist, wickelt man das Garn an ein kleines Kreuz aus
Holzscheiten oder Ähnlichem, das auf die Öffnung der Glases
gelegt wird.
Das Glas mit der Lösung und dem Impfkristall wird an einen Ort
gestellt, an dem es keine großen Temperaturschwankungen gibt.
Eine Temperatur-Senkung führt zum Auskristallisieren von winzigen
Kristallen auf der Impfkristall-Oberfläche, die dessen Wachstum
und Aussehen stark stören. Ein Temperatur-Anstieg wiederum
führt zur Verkleinerung oder Auflösung des Impfkristalls.
Tritt dies zu Beginn der Züchtung auf, fällt der Impfkristall
meist aus seiner Garn-Schlaufe auf den Boden des Glases. Auf diese
Temperatur-Änderung ist besonders zu achten, wenn man das Glas
zwischen einem warmen Arbeitsraum und einem unbeheizten Raum hin- und
hertransportiert.
Hat der Kristall nach einigen Monaten die gewünschte
Größe erlangt, wird er aus der Lösung genommen,
abgetrocknet und das Garn direkt am Kristall abgeschnitten, sodass
nichts mehr davon aus dem Kristall ragt. Es sei zu erwähnen, dass
das durchsichtige Garn beim Kristallwachstum im Inneren des Kristalls
eingeschlossen wird, ohne dabei die Struktur und Form des Kristall zu
stören.
Die Züchtung von großen Kristallen nach dem beschriebenen
Verfahren ist nicht besonders schwierig, trotzdem sollte man auf einige
Dinge achten, die das Kristallwachstum stören. Neben den bereits
angesprochenen Temperaturschwankungen stört auch bei konstanter
Temperatur die Bildung von kleinen Kristallkeimen auf dem Impfkristall
dessen Wachstum. Eine Kontrolle des Kristallwachstums rund alle zwei
Wochen, verhindert jedoch, dass die kleinen Kristallkeime mit dem
Impfkristall verwachsen. So lassen sich die Kristallkeime mechanisch
leicht ablösen. Zudem hat sich gezeigt, dass die Einzelkristalle
schneller wachsen, wenn sie alle zwei Woche sehr kurz unter kaltes,
fließendes Wasser gehalten werden. Wenn man den wachsenden
Kristall in der Lösung längere Zeit sich selbst
überlässt, kann die Verdunstung dazu führen, dass dieser
nicht mehr mit Lösung bedeckt ist und sich an sich mit einer nicht
mehr ablösbaren Salzkruste überzieht. Salzkrusten am Rand des
Glases mit der gesättigten Lösung müssen auch immer
entfernt werden, da sie wie Kristalle auf dem Boden des
Gefäßes das Wachstum des Impfkristalls verlangsamen. Bei
manchen Züchtungssubstanzen entstehen die Salzkrusten schneller
als bei anderen. Zudem können die Salzkrusten durch innere
Kapillarkräfte Salzlösung nach oben ziehen und sobald sie das
Gefäß überwuchert haben auch einen beträchtlichen
Teil der Salzlösung nach Außen transportieren.
Kristallwachstum durch langsame Abkühlung einer
heißgesättigten Salzlösung
Wie Eingangs erwähnt, ist die Voraussetzung an die
Züchtungs-Substanz bei dieser Methode, dass sich wesentlich mehr
Salz in der heißen Lösung zu lösen vermag, als bei
Raumtemperatur. Für ein Großteil der Salze, die zur
Kristall-Züchtung verwendet werden, trifft dies zu. Es gibt aber
auch einige Substanzen, wie zum Beispiel das Natriumchlorid, bei denen
die Abkühlungs-Methode praktisch nichts bringt, da sich in der
heißen Lösung nur wenig mehr löst als bei 20 °C.
Entscheidend für die Größe der Kristalle ist die Dauer
der Abkühlung der heißgesättigten Lösung auf
Raumtemperatur. Lässt man diese von einer Temperatur von 80-90
°C in einem Wasserbad schnell auf Zimmertemperatur abkühlen, entsteht ein
feinkristallines Pulver. Dauert die Abkühlung hingegen eine Woche,
so entstehen große Kristalle von mehreren Zentimetern
Kantenlänge. Da große Mengen heißen Wassers
natürlich länger abkühlen als kleine, ist ein Liter der
empfohlene Mindestansatz bei dieser Prozedur.
Man geht dabei wie folgt vor. Zuerst informiert man sich über die
Löslichkeit der Züchtungssubstanz. Für die oft
verwendeten Züchtungssubstanzen sind die Löslichkeiten von 20
°C bis 100 °C in 10°-Schritten tabelliert;
zuverlässige Angaben findet man zum Beispiel bei den Merck
Labtools. Man verwendet nun soviel Gramm an Substanz wie sich bei 50-70
°C lösen. Nachdem diese Menge auf das Volumen des eigenen
Ansatzes umgerechnet ist, wird die abgewogene Züchtungssubstanz in
siedendem Wasser gelöst und die heiße Lösung in das
Züchtungsgefäß gegossen oder filtriert. Das
Züchtungsgefäß sollte verschließbar sein, da es
mit Isoliermaterial umgeben werden soll. Haushalts-Weckgläser
eignen sich gut, nur müssen diese kurz vor dem Befüllen mit
heißem Wasser ausgespült werden, damit sie durch den
Temperatur-Anstieg nicht springen. Eine lange Abkühlung wird
erreicht, wenn das Glas mit der heißen Salzlösung schnell
isoliert wird. Dazu kann man es zum Beispiel mit einer Decke umwickeln
und in eine Picknick-Tasche aus Styropor legen. Diese wird dann einige
Tage sich selbst überlassen, wobei Erschütterung vermieden
werden müssen. Nach Ablauf der Zeit findet man zumeist große
und gut ausgebildetete Kristalle am Boden und an den Wänden des
Züchtungsglases.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten die Abkühlungszeit zu
verlängern. Neben größeren Ansätzen und besseren
Isolationsmaterialien ist die Verwendung eines "Wasserballastes" ein
weitere Option. Hierbei legt man das verschlossene Züchtungsglas
mit der kurz zuvor noch siedenden Salzlösung in ein großes
Behältnis mit ebenso heißem Wasser darin. Dieses
größere Behältnis wird nun ebenfalls isoliert und eine
Woche stehen gelassen. Durch die lange Abkühlungszeit des
Gesamtvolumens der Flüssigkeit erhält man zum Teil sehr
große Kristalle aus kleinen Ansätzen.
Obwohl man mit der Abkühlungs-Methode innerhalb einiger Tage
große Kristalle erhält, für die man mit der
Verdunstungs-Methode Monate bräuchte, sind die schnell
gezüchteten Kristalle oft matter, als die langsam gewachsenen. So
sind ansonsten farblose Kristalle oft weiß, wenn sie schnell
gewachsen sind. Dies muss nicht immer störend sein, besonders,
wenn die Züchtungssubstanz ohnehin nicht durchsichtig oder sehr
dunkel ist.
Oft weisen die mit der Abkühlungs-Methode gewonnen Kristalle
fehlende Teile auf, da sie sich am Boden oder an der Glaswand nicht in
alle Richtungen ausbreiten konnten. Solche Fehler lassen sich in der
Regel korrigieren, indem man den betreffenden Kristall mit der
Verdunstungs-Methode weiterwachsen lässt, sodass ein Einkristall
mit vollständig intakter Geometrie erhalten wird.
Besondere Variationen
Mischkristalle
Sehr interessant aussehende Kristalle erhält man, wenn man einen
farbigen Kristall in einer andersfarbigen oder farblosen Lösung
weiterwachsen lässt. Dies ist nur dann möglich, wenn beide
Züchtungssubstanzen zu einander isomorph sind, also die
Kristallsysteme sozusagen 'kompatibel' sind. Dies ist der Fall bei den
Substanzklassen der Alaune und der Tuttonschen Salze. Durch diese
Kombinationsmöglichkeit kann man auch eine gesättigte
Lösung aus zwei isomorphen Salzen herstellen. So wird
üblicherweise Chromalaun mit Kaliumaluminiumsulfat gemischt, um
luftbeständige Kristalle zu erhalten. Da das reine Chromalaun
wesentlich teurer ist sprechen auch ökonomische Gründe
für die Mischkristalle. Genauso wird Ammoniumkobaltsulfat meist
nicht rein gezüchtet, sonder als Mischkristall mit
Ammoniummagnesiumsulfat. Durch die beliebige Mischbarkeit sind
natürlich auch alle möglich Farbabstufungen von intensiv bis
blass möglich.
In seltenen Fällen kann ein Impfkristall mit einem Kristallsystem
A in Lösung zu einem Kristall mit dem System B gezüchtet
werden. Als Beispiel gilt das oktaedrische Chromalaun, welches in einer
mit Kaliumhydroxid versetzten Lösung von Kaliumaluminiumsulfat als
Würfel weiterwächst.
Matrixsteine und Drusen
Manche Kristallzüchter imitieren gerne natürliche Mineralien
und überziehen Gesteine mit Kristallen oder lassen diese in
halbrunden Formen zu Drusen wachsen. Obwohl dies allesamt keine
Einzelkristalle sind, seien diese Variationen der Vollständigkeit
halber erwähnt. Möchte man natürliches Gestein mit
Kristallen überziehen, muss das Gestein darauf überprüft
werden, ob es in der heißen Züchtungs-Lösung stabil ist
und sich nicht zersetzt. Auskochen in Wasser und Säurebehandlungen
sind mögliche Tests auf Stabilität. Um eindrucksvolle
Schaustufen zu gewinnen, empfiehlt es sich das Gestein mit einem Garn
am Deckel eines Glases zu befestigen, in dem dann die
Abkühlungsmethode durchgeführt wird.
Ebenso kann aus innertem Material die Negativform einer Halbkugel
gebaut werden, die in der Mitte durchgeschnitten wird. Eine mit viel
Züchtungssubstanz heißgesättigte Lösung wird in
die geschlossene Form gegossen und alles zum Abkühlen Stehen
gelassen. Die Innenfläche der Form ist nun mit einer relativ
festen Kristallschicht überzogen und die Form kann geöffnet
werden, um die drusenförmige Halbkugel zu entnehmen. Mit
Chromalaun erstellte Drusen ähneln sehr den natürlichen
Amethyst-Drusen.
Dotierungen
Da die Kristalle beim Wachstum oft Fremdstoffe aus der Lösung mit
ins Kristallsystem einbauen, kann so eine Färbung der Kristalle
erzielt werden. Als Farbstoffe sollen sich Kaliumdichromat,
Malachitgrün, Fuchsin, Methylviolett, Methylenblau und das
fluoreszierende Rhodamin B eignen.
Empfohlene Substanzen für die Züchtung
Nicht alle kristallinen Stoffe eignen sich für die Gewinnung von
großen Einzelkristallen in hinnehmbarer Zeit. Daher werden in
weiteren Verlauf einige Substanzen und Substanzklassen empfohlen, von
denen bekannt ist, dass sie gute Ergebnisse liefern.
Das sind zum einen die Alaune, also Doppelsalze bei denen jeweils ein
einwertiges Me' und ein dreiwertiges Me''' Metall-Ion mit zwei
Sulfat-Ionen verbunden sind. Die allgemeine Formel dieser Salz-Gruppe
ist Me'Me'''(SO4)2 · 12 H2O. Als Me' können
z. B. Kalium, Natrium, Ammonium und Thallium, als Me''' z. B.
dreiwertiges Aluminium, Titan, Mangan, Indium, Eisen, Chrom und
Vanadium auftreten. Kaliumaluminiumsulfat, Chromalaun, Ammoniumchromalaun und Ammoniumeisenalaun sind die
weitverbreitesten Vertreter der Alaune.
Eine weitere zur Kristallzüchtung empfohlene Gruppe ist die der
Tuttonschen Salze. Die Tuttonschen Salze haben die allgemeine Formel
Me'2[Me''(H2O)6](SO4)2. Bekannte Vertreter sind das farblose
Ammoniummagnesiumsulfat, das blau-grüne Ammoniumnickelsulfat und
das rote Ammoniumkobaltsulfat.
Auch die Vitriole, kristallwasserhaltige Sulfate zweiwertiger Metalle -
z.B. Kupfersulfat, Nickelsulfat, Kobaltsulfat und Eisensulfat -
kristallisieren gut.
Bei den organischen Salzen gelingen mit Kaliumnatriumtartat (Synonym:
Seignette-Salz und Rochelle-Salz) sehr gute Züchtungserfolge.
Als besonders exotische Züchtungssubstanzen seien
Guanidinaluminiumsulfat und Kaliumtrioxalatochromat empfohlen.
Die folgende Tabelle zeigt die Löslichkeit für einige gut
kristallisierende Substanzen. Die Daten Stammen aus
"Kristallzüchtung als Hobby".
Verbindung |
Löslichkeit
in g pro 100 g Wasser bei °C |
20 |
30 |
40 |
50 |
60 |
80 |
100 |
Ammoniumdihydrogenphosphat |
36.9 |
46.0 |
56.5 |
68.7 |
83.1 |
120.5 |
174.0 |
Ammoniumkobaltsulfat-Hexahydrat |
22.6 |
28.0 |
39.4 |
43.2 |
52.8 |
80.0 |
144.1 |
Ammoniummagnesiumsulfat-Hexahydrat |
28.0 |
34.2 |
41.2 |
49.4 |
59.3 |
86.7 |
130.6 |
Ammoniumnickelsulfat-Hexahydrat |
9.8 |
12.5 |
16.0 |
20.2 |
25.4 |
39.5 |
61.1 |
Kaliumaluminiumsulfat-Dodecahydrat |
11.4 |
16.6 |
23.8 |
36.8 |
57.4 |
322.0 |
- |
Kaliumnatriumtartat |
100.1 |
139.5 |
217.5 |
- |
- |
- |
- |
Kupfersulfat-Pentahydrat |
36.6 |
44.1 |
52.6 |
65.0 |
79.9 |
119.7 |
203.3 |
Weiterführende
Literatur:
Udo Behner, Kristallzüchtung als Hobby, siehe auch crystalgrowing.com
H. E. Buckley, Crystal Growth, Wiley, New York 1951
PDF-Version des Tutorials
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